|   Kommentar

Weil die Kirche im Dorf geblieben ist

von Hartmut Metzger

Die Evangelische Kirche der Pfalz ist bei Kirchenwahlen absolute Spitze und hat diese Position in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am vergangenen Wochenende erneut verteidigt. Mit 32 Prozent hat sie die Wahlbeteiligung von 31,2 Prozent vor sechs Jahren noch einmal gesteigert, während diese Marke in anderen Landeskirchen weit darunter liegt: in Württemberg bei knapp 23 Prozent, in Hessen-Nassau bei 18,5, im Rheinland 12,6 und in Baden bei 8,7 Prozent.

Zu erklären ist dieser sich alle sechs Jahre wiederholende Fingerzeig vieler Pfälzer Protestanten nur durch das große Engagement vieler Pfarrerinnen und Pfarrer, vieler haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter und einer allgemeinen Briefwahl, für die sich bereits 2002 die Gemeinden bewusst entscheiden konnten. Nun – im Zeichen der Corona-Pandemie – war es für die Landeskirche kein Neuland mehr, diese Briefwahl allen wahlberechtigten 440880 Protestanten anzubieten. Und fast jeder Dritte hat sie auch genutzt!

141236 Mitglieder haben die Wahlbriefe ausgefüllt, frankiert und zur Post gebracht oder gleich in den Briefkasten am Pfarrhaus eingeworfen oder am Sonntagnachmittag bei den auszählenden Wahlhelfern in den Gemeindehäusern abgegeben.

Diese Nähe der vielen Gemeindemitglieder zur Kirche steigt mit der Entfernung von der Stadt. Bei jeder Regel gibt es Ausnahmen, aber es trifft zu: je städtischer und je größer die Gemeinde oder je größer und ferner die Landeskirche, umso geringer die Wahlbeteiligung. Davon profitiert die 1818 gegründete „Vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz“. Sie ist in der alten bayerischen Rheinpfalz in überschaubaren Grenzen historisch gewachsen. Sie hat eine eigene demokratisch geprägte protestantische Identität. Immerhin stimmten schon bei der Kirchengründung die „Hausväter“ über die Vereinigung der reformierten und der lutherischen Gemeinden ab. Im Unterschied zu anderen Kirchen ist sie mit 483000 Mitgliedern bis heute nicht zu klein und nicht zu groß.

Die pfälzische Landeskirche hat mit ihrer Lust am Reformieren andere Landeskirchen immer wieder überholt: zum Beispiel bei der frühen Abendmahlsgemeinschaft mit den Mennoniten und der Frauenordination in den 1950er Jahren oder mit dem aktiven Wahlrecht für 14-Jährige ab 1990 und (dito) der Briefwahl ab 2002. Gerade dieses Wahlverfahren hat dafür gesorgt, dass die Beteiligung seit dem „Ausrutscher“ 1996 (27,05) erneut über die 30-Prozent-Marke stieg.

Mit der Briefwahl wurden Wege gefunden, Mitglieder anzusprechen, die vielleicht nicht in die kirchlichen Wahllokale gehen, aber durchaus ­bereit sind, auf diese Ansprache zu reagieren. Die unterschiedlichen Zahlen in Stadt und Land zeigen jedoch auch: Die Kirchenmitglieder sind vor allem dort ansprechbar, wo die Kirche (durch Türme und Personen) noch sichtbar im Dorf geblieben ist.

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Hartmut Metzger
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